Morgens sieht der Garten um diese Jahreszeit noch ziemlich schwarzweiß aus. Schwarz und Weiß, eine Einteilung, wie sie für die Bewertung der Weltlage ganz und gar untauglich geworden ist, vermutlich schon immer untauglich war, doch wir hätten es oft gern einfach und unsere Ruhe in unserer "heilen" Welt. Ich bin davon nicht frei, das Maß ist die Frage.
Der Gefährte schafft es wieder zum Frühstück unseren Rohkostsalat zu zaubern. Vitaminreiche Kost und sehr lecker: Rote Bete, Möhre, Apfel, Apfelsine, Öl, Rosinen, Nüsse und die ersten Spitzchen Grün vom noch fast durchgefrorenen Hochbeet zwischen toter Pflaume und altem Apfelbaum.
Bittere Lektüre nach dem Frühstück. Wir ersparen sie uns nicht, dosieren aber. Nicht aus Gleichgültigkeit, sondern um bei seelischen Kräften und handlungsfähig zu bleiben. Wir haben noch die Wahl zu entscheiden, was wir uns an Information zumuten wollen oder können, Millionen anderer Menschen in unserer unmittelbaren Nähe nicht.
Unser Radius ist zz. recht klein. Der Gefährte hatte vor 10 Tagen unbemerkt diese unerwünschten Omikron-Passagiere dabei. Auch vollständig geimpft ist es für uns kein Spaziergang, aber erträglich und nun auch richtig auf dem Wege der Besserung. Zuspruch und Hilfsangebote von Familie, Bekannten und Freunden taten wohl, Hilfe mussten wir gar nicht in Anspruch nehmen. Da wir ursprünglich am letzten Wochenende nach Brandenburg wechseln wollten, waren wir bestens bevorratet und wegen fehlender Kräfte auch bescheiden in unseren Ansprüchen.
Die Goldtöne draußen und auf der sonnigen Veranda tun uns sehr gut, Halsbonbons auch...
Auf diesem Lieblingsplatz habe ich - seit ich aus dem Bett wieder raus konnte - viele Stunden zugebracht: Lesen, Sticken, in den Garten schauen, Chatten mit liebsten Menschen.
Aktuelle Lektüre. Albert Kitzler lese ich zum 2. Mal, mit Doris Dörrie war ich schon in San Francisco und in Japan, nun will ich noch mit ihr nach Marrakesch. Das mittlere Buch ist gerade erschienen. Die Autorin, Journalistin, arbeitete u. a. 2 Jahre in Afghanistan.
Auf Instagram lese ich schon eine Weile sehr erhellende journalistische und politische Accounts. Da bleibt es nicht aus, dass man auch da auf Buchempfehlungen stößt. Habe mir dieses Buch von Thilo Mischke (Alles muss raus) gleich bestellt. Was er hier schreibt, sind Gedanken, die ich seit Jahren mit mir herumtrage. Ich konnte dieses "Nichtsehenwollen" noch nie verstehen und kann es auch nicht mehr ertragen.
Die Freuden am Wegesrand wahrzunehmen, aufzusaugen und sie sorgfältig im Seelenspeicher aufzubewahren erscheint mir wichtiger denn je. Hier ist es meine kleine Balletttänzerin, die ihre Jahrestournee begonnen hat, die zweite auf meiner Bühne. Von ihr bekam ich sie mal. Und immer wieder ist's der Garten, der tröstet, Kraft gibt und motiviert...
Die Krokusse, von Stürmen, Regen und Frost gezaust, sie halten aus...
Unter der Ligusterwildnis am Gartenrand warten Schneeglöckchen aufs Teilen und auf den Umzug vom letzten Rang ins Parkett...
Vom durchwachsenden Bergahorn nun doch befreit (er hätte sie irgendwann ausgehebelt) scheint es, die tote Pflaume, eins unserer "Lebensraumhölzer", hätte sich noch einmal gereckt und sich in Positur gestellt.
Alles Liebe euch.