Sonntag, 2. September 2018

Europa und "Meine Woche 2018" (35)

Trockenschäden im Garten. Noch immer kein durchdringender Regen.



Traurig bin ich dieser Tage, wenn ich um mich schaue, ins Europa unserer Zeit. Welche Euphorie hat uns begleitet, nach der Wende 1989, als das Reisen ins westliche Europa für uns beginnen konnte, und welche Freude, als Europa in den 90ern wuchs, mehr und mehr Länder in die EU kamen (und manche doch nicht ankamen?). Ein friedliches Europa, das zusammen gehört, was für ein Traum. Damals wirkte ich mit, noch in der Volkshochschule, Europas Zusammenwachsen zu begleiten, zu befördern. Freudig. Unzählige interkulturelle Veranstaltungen und Gesprächsreihen plante ich mit, internationale Begegnungen und Reisen mithilfe von EU-Förderprogrammen, Bildungsreisen... 

An einer trinationalen Begegnung in Frankreich (mit Deutschen und Polen) nahm ich selber teil und fuhr mit noch zweien abwechselnd unseren Kleinbus durch die Charente ;-). Hat das alles nichts gebracht, genützt? Vielleicht wenigstens bei denen, die mitgemacht haben, schon, denen, die man begeistern und interessieren konnte für andere Kulturen, die eine ureigene Neugier mitbrachten auf andere Länder, andere Völker, andere Sitten, andere Kulturen...






Mano ist da! An meinem See ;-). Für eine kreative "Traumreise" zu zweit...



Aber wie viele wir offenbar gar nicht erreicht haben, erleben wir in diesen Tagen. Nationale Egoismen scheinen mir immer stärker und stärker zu werden...  

Und wenn ich derzeit erlebe, wie oft Fremde und Fremdes abgelehnt oder herabgewürdigt werden, denke ich auch zurück an die Zeit, in der ich hier im Dorf vor allem als Zugezogene wahrgenommen wurde, nee, ich bin ja keine Echte von hier, da müssen es schon ein paar Generationen sein... Und selbst die Kriegsflüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten hatten in den 40ern hier beileibe nicht unbedingt ein leichtes Ankommen und Willkommen. 

Steckt dieses Ablehnen, das sich heute so laut und hasserfüllt und auch gewalttätig Bahn bricht, viel tiefer und schon ewig länger in manchen (aber immer noch zu vielen) deutschen Menschen, als wir das ahnen?  




Morgenschwimmen. Die Nächte sind kühler, bis 10 °C. Das Wasser wird kühler, unter 20 °C schon, nicht mehr lange...


Europa, vor der Wende, in der DDR, das sind Kindheitserinnerungen, Brieffreundschaften nach Rumänien, Polen, Tschechien, nach Minsk im heutigen Weißrussland...

Europa, das waren in den 70ern die Familienreisen in die polnische Tatra, an die polnische Ostsee, die erlebte Gastfreundschaft, wenn die Bauern, in deren Nähe wir zelteten, uns abends Milch und Käse brachten und eine Weile mit am Feuerchen saßen, Blaubeeren, die so unvergleichlich nach Blaubeeren schmeckten, nie wieder solche gehabt...

Europa, das war 1977 während des Studiums eine ökumenische Bildungsreise nach Moskau und St. Petersburg, damals noch Leningrad, das Eintauchen in die Bräuche der Russischen Orthodoxen Kirche und in die Kirchengebäude...

Europa, das war Prag und sein Glanz, mit unseren kleinen Kindern und noch einmal mit Freunden, wenige Wochen vor der "Wende", als wir praktisch allein im Zug zurückreisten, weil viele andere in der Prager Deutschen Botschaft ausharrten... 


Europa, das waren die seit Anfang der 80er auch für uns Jüngere auf Einladung älterer Verwandter (80. Geburtstage, 60. Geburtstage...) möglichen mehrfachen Verwandtenbesuche von der DDR aus in dem damaligen "zweiten" deutschen Staat, in Köln, Mönchengladbach, in der Eifel, mit der Freude sich zu sehen, zusammen zu kochen, zu essen, zu wandern, zu reden, aber niemals mit dem Gedanken dort zu bleiben. Wir liebten unsere zurück gebliebenen Familien, unsere Arbeit und ich im Besonderen auch meinen Wald und meinen See vor der Haustür, kurz, unser Zuhause...




Mit Mano Skulpturen bauen, nach Lisas "Rezept". Nee, die ganzen zeigen wir euch noch nicht...
Mit Mano Ecoprint-Experimente machen....
Mit Mano Papier schöpfen...





Europa, seit den 90ern bedeutete es auch Reisen, nach Österreich, in die Schweiz, nach Frankreich in die Bretagne, an der gesamten entlang in Etappen umrundet..., aber auch wieder nach Polen, in die Masuren, immer mit dem Auto (und meist Wohnwagen hinten dran), mit allen drei Kindern. Mit Tochter und Sohn nach Italien in die Toscana, Siena, Pisa, Florenz, Chianti... Oder Busreisen, meine beiden Töchter und ich, immer, immer, immer Italien, die Alpenüberquerungen, wenn auch nur per Auto oder Bus, diese Berge!!! Später der Sohn und ich, Italien wieder, Gardasee und Ischia, mit altem Auto auf den Bauernhof in Österreich am Mondsee, mit Logenplätzen zur Sonnenfinsternis. Eine England-Gartenreise in die Cotswolds mit einer Freundin.

Und mit dem Liebsten nach Österreich, nach Italien, als Dienstreisebegleitung nach Portugal, und nun - bald - nach Rom, ein Kindheitstraum verwirklicht sich.

Die nordischen Länder fehlen noch ganz... Auch Spanien, Griechenland... Ungarn, Bulgarien, Kroatien... Nach Paris möchte ich auch noch...




Abendliche Bootspartie.





Ich wünsche mir ein einiges, menschenfreundliches, gastfreundliches Europa, das nicht nur sich im Blick hat und seine nationalen Egoismen zurückstellen kann. Ein Europa mit gemeinsamen humanistischen Werten. Ein Europa, das zusammen steht, aber sich nicht über andere Völker stellt. Illusion? Macht nichts, Wünschen geht immer und soll auch helfen. Und wenn viele von uns solche Wünsche deutlich und immer wieder artikulieren, hilft das auch.

Was auch hilft, mit Menschen immer vertrauter werden, sich austauschen, diskutieren, zusammen spazieren gehen, gemeinsam Gärten gießen, zusammen werkeln, gemeinsam etwas erfahren... Eine wunderbare Seite des Bloggens, das "virtuelle" Kennenlernen bei realen Begegnungen vertiefen, weil man spürt, man hat sich über die Blogs hinaus noch was zu sagen, etwas miteinander zu teilen, zu erleben. So geht's.

Überhaupt, sich menschlich begegnen. Immer. Gehört Hass dazu? Nein, meine ich. Ganz klar Nein. Wir sind eine Welt. 




Hoffen auf Regen. Donnerstag gab's eine halbe Stunde, viel zu wenig...
Es herbstelt...




Europareise bei Astrid
Samstagsplausch bei Andrea
Unser kreatives Treffen hat Mano gestern in ihrem Freitagsallerlei beschrieben, so schön, danke!

9 Kommentare:

  1. Ich bin so froh, in ein offenes Haus hineingeboren worden zu sein. Ein echtes Privileg, wie es scheint. Alles Gute dir! Regula

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  2. Liebe Ghislana, besser kann man es nicht ausdrücken. Ich bin momentan ziemlich erschlagen von dem, was ich da wahrnehme und auch ratlos. Deine Bilder lassen ein wenig hoffen und träumen.
    LG
    Magdalena

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  3. liebe Ghislana
    dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen
    auch wenn ich solche Reisen nicht gemacht habe interessieren mich andere Länder und Menschen sehr
    auch mich erschreckt der Zeitgeist
    aber vielleicht ist es wie immer
    was man hat weiß man nicht zu schätzen
    erst wenn wieder "Diktatur" herrscht beginnt das Umdenken
    ich hoffe dass es nicht so weit kommt
    dass sich die "schweigende Mehrheit" endlich äussert
    denn sie könnten das verlieren in dem sie sich so gemütlich eingerichtet haben
    man darf sich nicht darauf verlassen dass das Erreichte auch Bestand hat

    du hast ein schönes Bild von Europa gezeichnet
    ich hoffe mir dir dass es wahr wird und bleibt

    liebe Grüße
    Rosi

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  4. so ein wichtiger beitrag! für uns war (west-)europa ja immer eher eine selbstverständlichkeit, weil wir in fast alle länder unbeschränkt reisen konnten. ich denke auch, dass die eu heute wichtiger ist als je zuvor. aber die bürokratie in brüssel mit ihren massiv einflussnehmenden lobbyisten als auch länder wie ungarn und polen mit ihren rechtsgerichteten regierungen sind mir allerdings nicht sehr geheuer. aber es gibt wohl keine alternative.
    ich freu mich, wie schön du unsere kreative traumzeit beschrieben hast!
    viele liebe grüße
    mano

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  5. ...bin ich doch vorhin direkt zu Mano gelinkt, liebe Ghislana,
    und habe nicht mal einen Gruß hier gelassen...gut hast du deine Gedanken in Worte gebracht und die Ruhe deiner Bilder tut einfach nur gut,

    liebe Grüße Birgitt

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  6. Danke, dass du dir noch die Zeit genommen hast und deine ganz persönliche Europareise beschrieben hast. Mit deinen Gedanken rennst du bei mir offene Türen ein und ich freue mich über jede in der Bloggerwelt, die sich äußert. Gerade habe ich auch wieder Europa erfahren, wie schön und bereichernd, wenn man im einstigen Feindesland so freundlich aufgenommen wird, besonders in einer sehr schwierigen Situation. Es fällt mir dann erst recht schwer, die Gefühle der anderen nachzuvollziehen.
    Ich hoffe, dass der Gießstress nun etwas nachlässt, und wir dich wieder mehr in der Bloggerwelt sehen & hören!
    Eine gute neue Woche!
    Astrid

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  7. Du hast es so genau auf den Punkt gebracht, liebe Ghislana, ich hadere zur Zeit ziemlich mit dem Geschehen um uns herum und ich frage mich immer wieder, was geht in den Köpfen der Menschen vor die sich so herablassen wie gerade in Chemnitz. Ich möchte denen keine weitere < Bühne< geben und weiß nicht wie ich es anstellen soll.
    Zum Glück gibt es ja viele liebe Menschen die auf meiner Wellenlänge sind und das gibt zumindest ein bisschen Hoffnung.
    Danke für deine Worte und Gruss zu dir
    heiDE

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  8. Das Schwierigste im Moment ist für mich, die jahrzehntelange Klarheit geht verloren, wir sind die Andersdenkenden (links, öko, grün), wir klagen unsere Freiheit und unser Recht darauf ein, gründen Initiativen, wollen die Welt verändern, werden auf der Straße blöd angeschaut, fühlen uns ein wenig überlegen. Wir haben den Staat gehasst. Und nun hassen andere den Staat, aus Gründen die nicht verschiedener sein könnten, gründen Bürgerinitiativen, organisieren Demos, vernetzen sich. Ihr Auftreten bereitet Unbehagen. So war es früher, Mitte der 70er bei Demos auch. Nur das die Inhalte andere waren. Was man da heute machen kann, weiß ich nicht. Reden, überzeugen, Meinungen verändern, den Sinn schärfen, für richtig und falsch? Trump hat immer noch eine breite, begeisterte Masse hinter sich in den USA. So grässlich das ist. Mein Weltbild wackelt ganz schön im Moment. Es bleibt die Hoffnung auf Frieden. LG Kerstin

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  9. Ja wir sind eine Welt, aber das scheinen Viele zu vergessen dieser Tage. Wie interessant bei Dir zu lesen! Oh polnische Blaubeeren, ich erinnere mich, was haben wir geschmaust. Brieffreundschaften, ja das war toll.Herzlichen Samstagsgruß nach Notzahnarzt. Eva

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Ich freue mich sehr über eure Gedanken.
Bitte aber keine anonymen Kommentare.