Mittwoch, 5. August 2015

Volkskunst aus dem Küchenregal...


Zum Musterthema "Folklore" dieses Monats bei MüllerinArt habe ich mich erst mal in meiner Küche umgeschaut und ein halbes Dutzend von Schüsseln auf den Gartentisch umgesetzt. Seit den 70ern, als meine Eltern begannen jährlich ins östliche Ausland (später auch nach Italien und Spanien) in Urlaub zu fahren, brachten sie Töpferwaren mit, meine Mutter war zeitlebens eine leidenschaftliche Sammlerin von Keramik, Volkskunst, Gebrauchstöpferei und Künstlerkeramik. Als ich eben Michaelas Post zum Thema las, wurde mir bewusst, dass meine Mutter die Grenze zum Kitsch wohl nie überschritten hat. Denn Kitsch mochte sie überhaupt nicht, aber eben "echte" Volkskunst und Kunsthandwerk (nicht -gewerbe...) durchaus, gern "schlicht", für sie ein Qualitätsmerkmal, und mit den Spuren von Handarbeit, den unaufdringlichen Spuren des nicht "glatten, perfekten, makellosen" Austauschbaren, Spuren von Lebendigkeit, Authentizität, Individualität, dennoch wiedererkennbar in der Motivik. Der feine Unterschied eben. Das war für uns Kinder durchaus auch geschmacksbildend bis in die eigene Lebensart hinein. 


 
Was mich an Volkskunst immer wieder begeistert und mir höchsten Respekt einflößt, ist die Tatsache, dass Menschen, die unter ganz anderen, viel beschwerlicheren Bedingungen lebten (und leben), dennoch!, das Bedürfnis hatten (und haben) Schönheit in ihr Leben zu integrieren. Schönheit, Kultur, Ausdruck (und nicht nur der der Sprache) als menschliches  Grundbedürfnis. Einfache, bodenständige Schönheit aus ihrem Erfahrungsraum, sie drücken sich auch damit aus. Klar, muss man nicht alle Muster mögen. Und deren Vermarktung und Uniformierung durch immer neue "must have"-Vorlagen und fragwürdige, die individuelle Kreativität blockierende "Hilfsmittel", wie sie Michaela beschreibt, ist wie so oft (und das gilt auch für die dadurch so in Verruf gekommene Seidenmalerei, die auch Kunst sein kann) mit Ursache dafür, dass die eigentlichen Quellen und ursprünglichen Phänomene eines Handwerks verloren gehen, denn die kennt kaum noch einer, gut verkäufliche Massenware nach Schablone ist Trumpf. Oder eben nicht.



Als Gebrauchstöpferei entstandene Schüsseln hängen bei mir nicht an der Wand, sondern die werden bei mir - trotz ihres z. T. hohen Erinnerungswerts - im Alltag benutzt, oft, sogar die großen, zum Servieren für den Salat für zwei. Oder für die große oder kleinere Schüssel Reis zum Chilli mit Gästen, die Nudel-Gemüse-Pfanne, eine Obstschüssel fürs Geburtstagsbuffet. Außer Ehekredit-Zwiebelmustertellern und zwei neutralblaufarbigen Schüsseln habe ich kein Ess-Service, stelle ich bei der Gelegenheit gerade fest..., war mir gar nicht bewusst, brauche ich doch mit diesen (und noch mehr kleineren...) Schüsseln auch nicht. Wir essen von gesammelten Keramik- und Töpferwaren, die uns gefallen. Und so manche Schüssel ist dann gleich Gesprächsthema. Manche dürften schon an die 35, 40 Jahre alt sein..., Geschenke meiner Mutter, von ihr geerbt. Die italienische (im Foto über diesem Absatz) ist aus dem Hinterland der Gardasee-Region vor 17 Jahren selbst mitgebracht, eine Ausnahme in ihrem einfachen Dekor im Vergleich zu auch dort den Touristenwünschen immer weiter entgegenkommenden mit Farbe und Details überfrachteten Mustereien.
 


So, mal schauen, ob ich diesen Monat auch selber noch zum Mustern komme, ein paar der Schüsselmuster gefallen mir richtig gut. Was es heute noch an Mustern zum Thema gibt, findet ihr hier

Ich grüße aus dem nachts endlich mal wieder nass geregneten Garten, heute lässt es sich gut draußen aushalten, auch mit Notebook auf dem Schoß, denn eine kleine Schreibarbeit wartet dann doch auch in den Sommerferien noch auf mich..., aber sie ist vor allem Schreibfreude.

14 Kommentare:

  1. Toll, dass sie bei dir so lange überlebt hat, die Keramik! Ich stehe ja eher auf Kriegsfuß mit ihr und komme besser mit Glas klar, das bei mir auch eher überlebt. Aber die schönen Muster mag ich immer wieder gerne anschauen.
    LG
    Astrid

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  2. Die sind wunderschön,sowas liebe ich auch.Gleich lese ich mal bei Michaela nach,ansonsten bin ich ganz deiner Meinung.Kreativ ist Ausdruck mit einfachen Mitteln.
    In allen Fachgebieten.Kat

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  3. Deine Gedanken zum Thema sind ganz toll! Einige Muster habe ich wiedererkannt. Wir hatten auch solche Teller Zuhause, allerdings wurden die irgendwann entsorgt (sogar meine Oma fand sie zu kitschig).
    Genieße deinen Tag, ich schicke dir ein bisschen Sonnenschein dazu
    Christine

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  4. Liebe Ghislana, wie wunderbar, dass du deine Schränke ausgeräumt hast. Herzlichen Dank für deine wunderbaren Worte über Volkskunst, und das Weiterspinnen meiner etwas oberflächlichen Gedanken... das tiefe Bedürfnis nach Schönheit... ja das ist es, lasst uns diesen Monat in der ganzen Welt danach suchen. Ich danke von Herzen und hätte jetzt gerne einen schönen Sommersalat aus der blauen italienischen Schüssel.
    Liebe Grüße von Michaela

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  5. Die Muster in den Tellern und Schüsseln haben "Schwung" und stammen aus den verschiedensten Regionen. Schön, dass sie die Gegensetände auch benützt werden !
    Schöne Grüße,
    Luis

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  6. ein ganz wunderbarer beitrag zum thema "folklore". solange sie nicht in tourikitsch übergehen, mag ich einiges auch sehr, besonders wenn noch authentische muster verwendet werden. ich habe auch einige selbsterworbene schalen und teller aus verschiedenen regionen, die auch in regelmäßiger benutzung sind. am allerliebsten sind mir aber meine meerfarbenen und ganz und gar musterlosen vintageschalen aus dänemark!
    liebe grüße, mano

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  7. Es geht mir wie Dir: ich mag die alte Keramik und benutze sie immer noch. Die Muster empfinde ich eher als zeitlos. Deine Überlegungen dazu sind wunderbar, danke dafür!
    Herzliche Grüße von Sabine

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  8. Du hast so recht mit deinen Worten und meine Gedanken wieder an die richtige Stelle gerückt, die mit dem Wort Folkore sehr haderten.Dankeschön! Meine Oma brachte von jeder Reise einen Teller mit, der dann in der Küche an der Wand hing.Einen davon besitze ich und jetzt frage ich mich wo die anderen geblieben sind, nachdem ich auf deinen Tisch geschaut habe.
    Viele Grüße karen

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  9. ...ach da fällt mir doch glatt ein, liebe Ghislana,
    dass ich im Geschirrschrank auch mal noch schauen könnte...sollte mich nicht wundern, wenn dort auch noch folkloristisches auftaucht ;-)...und nächste Woche bei Mutter in Leipzig, da ist dann der ganze Monat abgedeckt...
    ich finde es schön, dass du diese Schüsseln nutzt und so in Ehren hältst...und so kommen mit dem bunten Geschirr automatisch gute Laune und Erinnerungen mit zum Tisch, das ist wunderbar...die Schüssel in der Mitte gefällt mir am Besten,

    lieber Gruß Birgitt

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  10. Ich habe es nie so richtig verstanden, wie man sich Geschirr in den Schrank stellen kann...geerbt...und nie benutzt...weil ja geerbt...und damit ein Andenken...In meiner Kindheit waren die Schränke meiner Mutter voll von solchen Sachen, die nur bei ganz besonderen Ereignissen herausgeholt worden sind...also quasi aller 10 Jahre mal...Wunderschön sind deine Schüsseln und Teller! LG Lotta.

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  11. Frauen und ihr Geschirr, liebe Ghislana, sind ein weites Feld :) Die meisten Kommentare zeugen schon jetzt davon. Bei uns kommt auch nur Handgemachtes auf den Tisch und ins Regal.
    Ich liebe Deine " alten Schüsseln" auch wegen der Kraft, die in ihnen steckt.

    Herzliche Grüße zu Dir
    Erika

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  12. Da kann man mal sehen, Deine Mutter hat Dir schöne Werte mitgegeben. Deine Keramik gefällt mir, das eigentlich sehr einfache und pure, trotz der Muster. Auch wenn ich sehr reduziert lebe, fühle ich mich auch solchen Gegenständen auch sehr angezogen. Wer ländlich lebt, lebt einfach, das beweisen nicht nur die Shaker, sondern auch die Bevölkerung in Deutschland, die einst auf dem Land aufgewachsen ist. Pure Möbel mit feinen handwerklichen Details, auch etwas, was mir sehr gefällt.
    Liebe Grüße
    Cora

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  13. Oh ja...So einige deiner Schüsseln kommen mir bekannt vor. Vor allen Dingen die bunten spanischen, die hat meine Mutter auch liebend gerne von ihren Reisen mitgebracht. Ich hab sie aber alle weggegeben. Ich hab so schon viel zu viele. Die braunen mag ich sehr, die würden noch gut zu meinen passen...:-)

    LG Sabine

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  14. Ich habe eine alte Schüssel von daheim mitgenommen, aus der es früher den Sahnehering oder die Quarksoße zu den Kartoffeln gab ("Duppes" genannt). Leider ist sie mir dann mal zerbrochen, Ironie des Schicksals, aber ich habe sie geklebt und sie steht in meinem Zimmer. Keine Ahnung, wo meine Mutter die her hatte, ich muss sie direkt mal fragen.
    Auf Flohmärkten schaue ich auch immer gern nach alten Schüsseln und Kannen. Aber nicht fürs Regal, sondern für den Gebrauch!

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Ich freue mich sehr über eure Gedanken.
Bitte aber keine anonymen Kommentare.