Samstag, 7. März 2015

In heaven - Wolken und Licht


Seit Oktober arbeite ich in der hiesigen Grundschule als Vertretungslehrerin. Ich habe viel Freude daran, obwohl ich sehr wohl sehe, wie schwierig es sein kann, allen Kindern individuell gerecht zu werden und dabei den nach Lehrplan zu verarbeitenden "Stoff" nicht aus den Augen zu verlieren... Schön ist es, wenn die (meisten) Kinder an einem Thema Feuer fangen, selber Fragen dazu haben, die sie beantworten möchten, dieses Thema vertiefe ich dann gern, weil ich weiß, wenn man für ein Thema brennt, verschlingt man alles an Nahrung, was man dazu kriegen kann. Ich glaube fast, auf diese Weise habe ich selbst am allermeisten gelernt...
 

Was manchmal schwer ist: Meiner Erfahrung nach kann man mit den größten Rabauken und in guten Kontakt kommen, wenn man sich dafür ausreichend Zeit nehmen kann, immer wieder. Manchmal befürchte ich, dass aber auch gerade die Stillen, Leisen, Introvertierten, Hochsensiblen zu kurz kommen, weil man viel zu sehr damit beschäftigt ist im Bemühen "die ganze Klasse" mitzunehmen und dabei den lautstarken, unruhigen Kindern sehr viel mehr Aufmerksamkeit schenkt, um eine angemessene Lernatmosphäre zu ermöglichen. Das frisst Energie. Und 45 oder 90 Minuten können sooooo schnell vorbei sein... Also bei aller Freude nicht nur Licht, sondern auch Schatten, manchmal graue dunkle Wolken, durch die aber - wie gut - sich immer wieder das Licht Bahn bricht.
 

Selten habe ich den Fotoapparat mit, noch seltener überhaupt Zeit zu fotografieren, aber sehr schnell habe ich gemerkt, was an den Fenstern überm Wald für Himmel vorbeizieht..., oberspannend. Also sehen kann ich noch ;-) Morgenröte und einen Sonnenaufgang mit Spektralfarben überm regennassen Wald konnte ich gut in die Optikstunden einbeziehen, da die z. T. in der 1. Stunde liegen und die Jahreszeit gerade passte. Auch warfen bei Sonnenschein ein paar Prismen dann noch die schönsten Regenbogenfarbenpünktchen in den Raum, helle Begeisterung nicht nur bei Mädchen. Das können sich die unter euch, die das eine oder andere Prisma im Fenster hängen haben, wahrscheinlich gut vorstellen, denn fotografiert habe ich es nicht. Aber dafür das Seidenrosa am Fasching, als wir meinen Seiden-Sari aus Indien vors Fenster hingen, um für unser überaus frequentiertes "Wahrsagerzimmer" etwas gedämpftere Atmosphäre zu schaffen.


Und manchmal passiert Unglaubliches, Zufälliges - In Biologie hatten wir uns mehrere Stunden lang verschiedenen Lebensräumen und Nahrungsnetzen gewidmet, uns in die zu bestimmten Lebensräumen gehörenden Tier- und Pflanzengemeinschaften eingearbeitet, als draußen vorm Fenster überm Wald am See ein Seeadler erschien und Minuten lang in der Sonne kreiste, erhaben und groß, ohne Flügelschlag, nur die Schwanzfedern und die Flügelspitzen steuerten... Großes Kino, das auch die Kinder fesselte, die wie gebannt an den Fenstern standen. (Und ja klar, ich hatte keinen Fotoapparat dabei...) Aber ich kann euch zu der Karikatur schicken, die ich sofort vor Augen habe, wenn sich solche Dinge ereignen wie oben beschrieben. Und nein, so ein Lehrer, wie ihn Marie Marcks karikiert, will ich nicht sein... Marie MARCKS, "Schmetterlingskunde", in: Krümm dich beizeiten, 1980, S. 87 


Wie freue ich mich, wenn wir nun den Lebensraum Wald "in natura" erkunden werden und rauskönnen, es wird Frühling... Der Himmel lockt jetzt manchmal schon so sehr... Hinaus. Hinaus! Gespannt bin ich, wer "sein" Bodenlebewesen finden wird. Mit Hilfe der ausgezeichneten Forscherkartei "Ich tu was... und erforsche die Bodenlebewesen..." (offenbar nur noch in Bibliotheken erhältlich?) hatte sich jeder mit einem der meist unsichtbaren kleinen Tierchen besonders beschäftigt und es der Klasse vorgestellt. Aber nun wollen wir die auch draußen aufspüren, in voller Aktion. 

In heaven - Eine wöchentliche Linksammlung bei der Raumfee. Ich wünsche euch Frühlingshimmel! Hier haben wir ihn heute und ich geh gleich in den Garten...
 

14 Kommentare:

  1. Ach, Ghislana, da kommen die Erinnerungen hoch...nur in den Wald mussten wir hier in Riehl dann lange mit der Straßenbahn fahren. Glücklicherweise gab es da immer Anlaufstellen mit faszinierenden Lehrern, wie Valentin, der Försterehemann einer ehemaligen Schülerin oder den sagenhaften Herbie auf Gut Leidenhausen... Schade, dass ich so viele Sachen schon weggeworfen habe, hätte ich gewusst, dass du sie brauchen kannst.
    Übrigens: Nie den Fotoapparat vergessen im Unterricht. Vielleicht hilft dir eine kleine Kompaktkamera? Es gibt so viele tolle Momente, die man Festhalten sollte, für später, fürs Erinnern. Ich ziehe mich immer wieder daran hoch. Und an den Erinnerungen ehemaliger Schüler: Gestern beim Fischessen war auch eine Ehemalige aus meiner Gesamtschulzeit, und die sagte, dass ich ihre liebste Lehrerin gewesen wäre, obwohl sie mich nur ein Jahr gehabt hätte. Da geht das Herz auf...
    Soll ich denn in meinen Sachbüchern für Kinder noch nach Interessantem für dich schauen?
    GLG
    A.

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  2. Was für tolle Fotos- und < immer< den Fotoapparat mitnehmen, es gibt soooooooooo viele schöne Momente!!
    Gruß von
    heiDE

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  3. Ja, die Kamera ist bei mir deshalb so leicht und klein, damit ich sie immer dabei habe. Auch wenn es dann Momente gibt, wo man nicht schnell genug ist, oder dann eine Profikamera bräuchte. Wie gestern, als mehrere Raben einen Raubvogel drangsalierten. Oder als ich den Turmfalken beobachtete. Manches muss man dann eben mit dem Herzen mitnehmen (das können übrigens oft die stillen, unscheinbaren Kinder in der Klasse ganz besonders gut...) .
    Liebe Grüße
    Andrea

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  4. Ganz häufig zustimmend nickend las ich deine Zeilen. Nun arbeite ich ja nur mit einer kleinen Anzahl Grundschulkinder, manche Tage fordern aber wirklich das ganze Repertoire, was frau auf Lager hat, um die Wogen zu glätten (was auch mal nicht gelingt). Es ist die Zeit, bzw. die Zahl der Lehrkräfte, die manche Kinder einfach in höherem Maß benötigen. Die Rabauken 'auszusperren' hilft nämlich niemandem. Der Blick auf die guten Stunden helfen beide Seiten wieder zu motivieren.
    Eben im Garten dachte ich "Jetzt die Kamera parat...", stattdessen einfach nur im Stillen genossen. Mach's gut du, Birgit

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  5. welch ein (schul-) leben!...vom klassenzimmer aus einen seeadler beobachten. seufz.
    dir auch ein wunderschönes frühlingswochenende!
    lisa

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  6. ...ach wie gerne hätte ich meine Jungs zu dir in den Unterricht geschickt, liebe Ghislana,
    und natürlich in diese Schule zwischen Wald und See...und ich bin ganz sicher, dass du so ein Lehrerin wie der auf der Karikatur nie bist...und das finde ich wundervoll,

    genieße das Frühlingswochenende,
    lieber Gruß Birgitt

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  7. Da möchte ich gern mal Mäuschen sein...in deinem Unterricht...Ohja...es ist sicherlich schwierig, alle Kinder mit ihren ganz unterschiedlichen Charakteren unter einen Hut zu bringen...aber das setzt ja achon mal voraus, dass man als Lehrer erkennt, dass es unterschiedliche Charaktere gibt...da bist du ein Vorbild...leider...aus meiner Erfahrung...LG Lotta.

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  8. Hallo Ghislana,
    ich mag den Himmel und die Wolken. Manchmal sitze ich ganz lange da und beobachte das Spiel der Wolken und oft habe ich auch zur Kamera gegriffen, um diese Stimmung festzuhalten.
    Du hast einen sehr schönen Beruf. Der Umgang mit Kindern kann viel Freude bereiten.
    Liebe Grüße von Ingrid

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  9. Liebe Gishlana,
    solltest du mal Veränderung brauchen, wir haben auch eine Grundschule ... unsere ältesten gingen in die Waldorfschule und haben dort eine schöne Zeit verbracht bis die Finanzen, Schulwechsler... weil sonst nirgendwo mehr erwünscht usw. das System sprengten ... aber das ist eine andere Geschichte. Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude mit den Kindern und viel Kraft bei einem Balanceakt in einer schnelllebigen Gesellschaft!

    Herzlichst Alexandra

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  10. Liebe Ghislana,
    das finde ich toll, dass du Vertretungslehrerin bei den Kleinen machst. Mein Sohn ist in der 4.Kl. und an der seiner Schule war der Lehrer-Notstand so groß, dass man eine Lehrerin geholt hat, die schon 50 Jahre Schuldienst hinter sich hat. Ich bin aber froh, dass sie da ist....und auch bis Ende des Schuljahres bleibt. Also in Freiberg gäbe es auch Bedarf an Vertretungslehrern....:-))))
    Schönes Wochenende,
    LG Sigrun

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  11. Dein Bericht ist großartig und ich dachte eben bei mir: bei Ghislana wäre ich so gerne nochmal Schülerin. Toll, welche Projekte du mit der Klasse machst.
    Auch deien Aufnahmen der durch die dramatischen Wolken fallenden Sonnenstrahlen... so schön und so passend zu deinen Worten.

    Herzlich, Katja

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  12. liebe ghislana, wenn ich mich ganz klein mache, kann ich dann bei deinem unterricht dabei sein??
    meine tochter ist während ihrer gesamten grundschulzeit nicht einmal während des unterrichts draußen gewesen, obwohl sich die schule in einem dorf befand und es tausende möglichkeiten gegeben hätte. wie gut, dass du diese klasse übernommen hast! ich denke, sie werden lange davon zehren und viel für ihre zukunft mitnehmen. und wenn es nur der blick auf den seeadler ist und sie die natur respektieren.
    deine himmelsbilder sind traumhaft schön!
    herzliche grüße, mano

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  13. Liebe Ghislana,
    Du machst tollen Unterricht. Klingt ein bisschen, als hättest du den Freiraum der Montessori-Pädagogik. Grundschulkinder sind toll! Ich habe ehrenamtlich an der Grundschule unserer Kinder mitgearbeitet und fand es immer total schön! Leider kann ich nur bestätigen, dass die lauten Kinder mehr Aufmerksamkeit bekommen, manchmal auch bekommen müssen, damit die Stilleren auch was mitkriegen! Leider zieht sich dieses Phänomen durch alle Lebensalter :/ die Lauten machen mehr Wind!
    Seeadler - das ist ja ein Traum!
    Gros bisou
    Sandra

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  14. Darf ich bitte bei Dir in die Schule gehen? Ach, ist das genial ... Seeadler vorm Fenster ... Bio zum Anfassen. Und Du bist bestimmt eine tolle Lehrerin. Ich denke immer wieder gern an meine Grundschulzeit zurück. Ich hatte noch das Glück, eine sehr gute und erfahrene Lehrerin zu haben, die sich Zeit genommen hat für jedes Kind. Sich Zeit nehmen konnte, wahrscheinlich. Damals gab es auch schon unruhigere Kinder, aber heute hat das eine ganz andere Dimension. Es ist bestimmt schwierig, den Überblick zu behalten und alle Kinder mitzunehmen.

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Ich freue mich sehr über eure Gedanken.
Bitte aber keine anonymen Kommentare.