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Dienstag, 14. Juli 2015

Pflanzenzeichen und Lebensbäume

Wildbunter Spontanaufwuchs auf einer abgedeckten ehemaligen Müllkippe.

Erinnert ihr euch? Letztes Jahr gestalteten wir in einem MailArt-Projekt Kalenderblätter für 2015, ich war mit dem September dran und druckte damals von meiner Gelatine-Platte so viele Varianten, dass ich noch immer aus dem Vorrat schöpfe... Zur "Typo"-Frühlingspost bestempelte ich dann die hellsten Ausschnitte mit dem F, ein paar Karten und Minibüchlein für Überraschungspost und Geburtstage entstanden. Heute ging wieder ein Schwung weg, der Stapel dünnt aus... Eine 6. Klasse verlässt die Schule, seit Oktober hatten wir Biologie, Physik und auch ein paar Stunden LER miteinander. Heute abend war Abschlussfest. Eine klitzekleine Kleinigkeit musste her, für jeden, ganz persönlich.

Wicken und Malven.










Ein Thema des Lehrplans in Biologie war "Die Vielfalt der Pflanzen ordnen". Dazu wurde in einem Langzeitprojekt ein Herbarium mit Beispielen aus vier Pflanzenfamilien hergestellt, die Pflanzenvielfalt und ihre Lebensräume vor der Haustür während eines Praxistages im Biogarten und auf einer Exkursion zum Huschtesee erkundet. Im Computerkabinett wurde im Internet gezielt nach Zuordnungen von Pflanzen zu Pflanzenfamilien gesucht, Namen und Familien aufgeschrieben und anschließend versuchten wir im eigenen Schulgarten die Pflanzen wiederzufinden. Nicht so einfach, wenn man nun keine Bilder mehr auf dem Bildschirm vor Augen hat... Bestimmungsbücher halfen aus und wir ergänzten auf unseren Pflanzenlisten die Blühfarbe. Ein weiterer Anker. Für die Vertiefung des Themas Fortpflanzung landeten Pollenfäden von Korbblütlern unter dem Mikroskop, die Freude war groß, wenn die kleinen Pollenkörnchen unterm Mikroskop tatsächlich sichtbar wurden, in gelb, in blau, in lila, glatt, behaart... Wieder solche Vielfalt, keins gleicht dem anderen. Darüber hinaus beschäftigten wir uns mit der Herkunft der Pflanzen, mit Pflanzenverwendung und so auch mit Ethnobotanik.














So gab's heute als Minigeschenk für jede/n zur neuen Ausgabe der Kleinen Waldfibel eine aus den Drucken geschnittene Karte mit einer Sommerlandschafts-Anmutung und hintendrauf zum Geburtsdatum der Schüler/innen die entsprechende Pflanze aus den Pflanzenzeichen der Indianer und den passenden Baum aus dem keltischen Baumkalender. Der Traum einen kompletten Pflanzensteckbrief zu gestalten, ließ sich in der Zeitdichte der letzen Wochen nicht erfüllen. Aber vielleicht geht die eine oder der andere mal auf die Suche. Und einige kennen ihre Pflanzen ja bereits, wir haben uns im Unterricht am Rande damit beschäftigt. Und es ist berührend zu sehen, wie die Kinder auf einmal auf eine Pflanze mit anderen Augen schauen, nicht weil sie schön ist oder heilend oder nützlich oder voller Insektenleben, sondern weil diese Pflanze mit dem Geburtsdatum nun ein bisschen zu ihnen selbst gehört. Eine Beziehung entsteht. Beziehung zu einem Ausschnitt aus der Natur, der Einstieg ins Lebensnetz.


Prächtige Königskerzen.

So wie heute, als ich mit drei Jungs allein unterwegs sein konnte (da ich keine eigene Klasse habe, mit denen die Lehrer/innen vor dem Schuljahresende die letzten organisatorischen und Aufräumarbeiten mit den Schüler/innen in Angriff nahmen, konnte ich mir welche "ausborgen", um noch was im und für den Schulgarten zu machen). Wir räumten die Werkzeuge auf, bereiteten Blumentöpfe für Ansaaten und Ableger vor und sammelten Steine von einer zugeschütteten alten Abfallkippe in der Nähe, für unser "Stein-, Sand-, Kies- und Totholzbeet" à la Hortus insectorum bei Markus Gastl. Wir fanden Steine aus der alten Loeptener Ziegelei, viele Jahrzehnte alt, denn die Ziegelei gibt es lange nicht mehr. LOEPTEN - der Ziegeleiort ist in die Ziegel gestempelt worden. Geschichte, lange her und doch irgendwie spannend, denn die letzte Ziegelei der Region schloss 1943 und ein paar der alten Loeptener Steine, vermutlich von einem Abriss, landeten auf der Kippe... Nun gingen sie noch einmal durch unsere Hände, und jetzt sammeln sie Sonnenwärme fürs Beet und wir sind gespannt, wer sich dort eines Tages verstecken oder sonnen wird...


Alter Ziegelstein aus der Ziegelei Loepten.
Anfang des Magerpflanzen-Beets. Eingebaut werden Steine, Totholz, Sand und Kies.

Indem wir so sammelten, was die Wildschweine hin und wieder ans Tageslicht wühlen, und die Steine in die Schubkarre stapelten, öffneten sich unsere Augen auch für das Drumherum, für die blühende Vielfalt auf dieser Brache am Waldrand: Wicken, Königskerzen, Nachtkerzen, Muskateller-Salbei (wo auch immer er herkommen mag an der Stelle), Malven, Natternkopf... Da es nieselte, war nicht so viel an Insekten unterwegs wie an einem sonnigen Tag, aber wir gerieten immer weiter hinein in die Blumen und in den Sog der Lebensvielfalt... Hummeln fliegen auch bei Niesel, die Weinbergschnecken machen ihren Regenspaziergang, die Ameisen schleppen emsig Material herbei. Eine Spinne trug ihr riesiges Nest unterm Bauch. Am Eindrucksvollsten für die Jungs waren die Grashüpfer und Heuschrecken, in allen Farben und Größen und sooo viele. Bei jedem Schritt sprangen sie auf. Ein riesiges grünes Heupferd war auch da. "Das war eine coole Stunde..." Ja, war es. Weil die Jungs freiwillig mit mir unterwegs waren, sie wollten und wir hatten Freude, die besten Voraussetzungen fürs Lernen...

Wicken, Königskerze, Mutterkraut (?)
Herzgespann

Grünzeug
Creadienstag

16 Kommentare:

  1. Ja, so schön kann Lernen aussehen! Und dann nehmen die Kinder auch mit viel Freude etwas mit.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  2. Da weckst du Erinnerungen an Sternstunden meines Berufes... Mir gefällt auch dein "anzügliches" Abschiedsgeschenk sehr. Eine tiefe Befriedigung teilt sich beim Lesen deines Posts mit. Jetzt wünsche ich dir viel Zeit für dich.
    Herzlichst
    Astrid

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  3. Ein Segen, dass es Lehrerinnen und Menschen wie Dich gibt, Ghislana. Da bleibt was hängen bei den Schülern... dieser persönliche Bezug erinnert mich an die Zeit, als mein Ältester in den Kindergarten kam. Als Erkennungszeichen war ihm die rote Johannisbeere zugedacht. Wir haben erstmals rote Johannisbeeren gekauft (als Kind hatten wir auch welche im eigenen Garten) und Kuchen gebacken, uns mit dieser Beere beschäftigt... Alles Liebe für dich, Sabine

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  4. das klingt nach schönem biounterricht. ich erinnere mich an meinen oftmals eher mit schrecken...

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  5. Wouw, was für eine tolle Stunde für die Jungs.
    Vor einigen Jahren war ich als Kindergärtnerin (so hieß das) tätig. Ich liebte diese Stunden. Auf Entdeckungstour in der Natur! Jetzt kommen meine Enkelchen in das Alter, um sie für die Natur zu sensibilisieren.
    Na ich hoffe und wünsche, dass die Eidechsen Einzug halten bei Euch.
    LG lykka

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  6. !...sie wollten und wir hatten Freude." Die Vorraussetzung für nachhaltiges Lernen.
    Meine finnische Freundin erzählt oft von ähnlichen Schulstunden. In ihrer karelischen Zwergschule waren sie mit der Lehrerin draußen, wann immer es ging. Und auch Mathematik konnte man im Wald lernen. Im Winter holte die Lehrerin die Kinder mit einem großen Pferdeschlitten ab.... Diese Freundin ist einer der klügsten Menschen, die ich kenne.
    Was für ein Segen, dass die Kinder jemanden wie Dich an der Schule haben!
    Sei herzlich gegrüßt von
    Lisa

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  7. Wie gern wäre ich mit dir als Lehrerin durch die Natur gestreift.Es war ein Genuß zu lesen. Ich gehöre auch noch zu einer Generation, die Schulgartenunterricht hatte, aber das war einfach profan, obwohl wir uns immer freuten weitab des Schulgebäudes werkeln zu können.
    Danke für deine Batikantwort.Wenn es sich in die Gestaltung einfügt ist es ok, aber manchmal hat es das Blatt verschlechtert. Ich hegte immer die Hoffnung noch nicht die richtige Papiersorte gefunden zu haben, aber vielleicht muß man sich einfach damit abfinden.
    Schöne Sommertage für dich. Viele Grüße Karen

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  8. so so wudnerbar! biologie zum anfassen, beziehungen knüpfen, die hoffentlich ein leben lang vertieft werden - der samen ist gesät, ins herz, in die hand, in den kopf.
    liebe - nun kommen auch auf dich die ferien zu - genieß sie!
    herzlichst
    dania

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  9. so so wudnerbar! biologie zum anfassen, beziehungen knüpfen, die hoffentlich ein leben lang vertieft werden - der samen ist gesät, ins herz, in die hand, in den kopf.
    liebe - nun kommen auch auf dich die ferien zu - genieß sie!
    herzlichst
    dania

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  10. Lehrerinnen wie dich hätte ich mir mehr gewünscht in meiner Schulzeit und die würde ich auch meinem Sohn wünschen, nur sind sie leider so rar gesät. "Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen" sagt ein Zitat von Augustinus Aurelius und es ist eines der wahrsten, die ich kenne. Begeisterung ist ansteckend und nur was man kennt udn zu was man eine Beziehung aufbaut, für das fühlt man sich auch verantwortlich und beschützt es. Leider fehlt den meisten Stadtkindern diese Beziehung heute komplett und das macht mir wirklich Angst. Im Kindergarten-Abschlussjahr haben wir am Geburtstag eine Schnitzeljagd durch hohe Wiesen und rund um den wilden See gemacht und der Großteil der Kinder waren desinteressiert und ekelten und fürchteten sich vor allen Insekten, Fröschen und wenn die Gräser und Äste ihre Arme und Beine berührten. Ich war danach völlig desillusioniert. In der grundschule schmetterte der Schulleiter den Wunsch anch einem Schulgarten erstaml ab - aus Angst, Eltern könnten die Schule verklagen, wenn ihr Kind dort von eienr Biene gestochen wird. Dass Kinder im Schulhof Schmetterlinge, Käfer und Ameisen tottraten, "weil das nur eklige Viecher sind", fand er nicht bedenklich.
    Würden mehr Kindergarten-Erzieher und Lehrer mit den Kindern die Klassenzimmer verlassen und in die Natur gehen, erklären und eine Beziehung herstellen, ich wäre deutlich hoffnungsfroher, was nachfolgende Generationen angeht. Natürlich sollten das zuallererst die Eltern tun, doch in der Schule erreicht man womöglich auch die Kinder, deren Eltern selbst nie die Wohnung verlassen. Eien große Verantwortung für Lehrer.
    Wie großartig, dass du mit deinen Schülern solche Exkursionen machst, ihnen so Heimat und heimische Vegetation nahe bringst und ihnen so persönliche Abschiedsgeschenke machst. Ich sehe Zypressen auch mit anderen Augen, seit ich weiß, dass das mein keltischer Baum ist. :-)

    Herzlich, Katja

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  11. Ach, was für ein liebevolles Abschiedsgeschenk. Ich finde so eine Geste sehr wichtig, um den Kindern zu zeigen, dass man sie wertschätzt. Noch heute erzählen ehemalige Schüler und Schülerinnen von meinen kleinen Geschenken. Manche besitzen sie sogar heute noch. Und wie schön, dass dein Unterrichtsfach "Natur" heißt.
    Liebe Grüße aus der slowakischen Natur schick ich dir
    Christine

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  12. ...ich wusste gar nicht, liebe Ghisalana,
    dass es Pflanzenzeichen nach dem Geburtsdatum gibt...und bin mit dem Löwenzahn sehr zufrieden...fest verwurzelt und und standfest und sich federleicht weiter verbreitend...ach ich hätte dich auch gerne als Lehrerin gehabt...

    lieber Gruß Birgitt

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  13. schöner reichhaltiger Bericht!
    x Stef.

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  14. Ich würde gern bei dir noch mal zur Schule gehen...Meine Kinder hatten das große Glück, in der Grundschule auf eine Lehrerin zu treffen, die den Schulgarten in Eigeninitiative wieder aktivierte...und deren Tagesausflüge nichts ins Kino, sondern an den See und in die Natur gingen. Es bricht mir das Herz, wenn ich an sie denke...HIER...LG Lotta.

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    1. Birke...na das passt doch...wir haben eine im Garten stehen...kann ja kein Zufall sein...;-).

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  15. von der Verbundenheit zwischen Baum und Geburt habe ich schon einmal gelesen, ...ja, kommt hin.
    Wie toll war dieser Unterricht für Lernende und Lehrende.
    Wegen der Beize habe ich unter deiner Frage geantwortet (Alaun), aber es gibt noch so viele Möglichkeiten, die ich nach und nach erprobe und dann auch berichten werde.
    Mach´s gut, Birgit

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Ich freue mich sehr über eure Gedanken.
Bitte aber keine anonymen Kommentare.