Ich wartete jeden Morgen auf sie. Sie war meine allererste "beste" Freundin. Vor unserem Haus schaute ich vom sandigen Gehweg aus die schmale
alte Pflasterstraße entlang in ihre Richtung. An den dichten Sträuchern vorbei, und an den die Straße wie mit einem Tunnel überspannenden Bäumen, kam
sie von ganz weit hinten und rannte, sobald sie mich stehen und winken sah. Mit wehenden langen dunklen Zöpfen, die Riemen des
Schulranzens auf dem Rücken und die Riemen der Brottasche gleichzeitig mit
beiden Händen fest an die Rippen gedrückt. In den vom schnellen Laufen geschüttelten Taschen klapperten Griffelkasten und
Brotbüchse. Noch heute erinnere ich mich an dieses rhythmische Klappergeräusch und sehe sie näherkommen. Nie war sie morgens schon da, immer rannte sie. Und ich
wartete, mit meinem dunkelbraunen Ranzen, mit dunkelbraunen Schuhen, mit dunkelbraunem
Pferdeschwanz und mit meiner Brottasche, bis sie da war, ganz außer Atem. Wir beide freudig
erregt, dass wir uns wieder hatten, ein gemeinsamer Schultag vor uns lag.
Drei
Schuljahre lang waren wir fast unzertrennlich, gegen alle Hindernisse, die wir damals so nicht empfunden haben. Es war, wie es war. Denn wir sahen uns nur in der Schule.
Die Pausen und die gemeinsamen Schulwege mussten reichen für die Freuden und
Geheimnisse einer Kleinmädchen-Freundschaft. Zusammen sitzen durften wir "zwei schwatzhaften Liesen" in der Schule nicht.
Sie wohnte außerhalb des Ortes, mit einer großen kinderreichen Familie auf einem Bauernhof.
Nur einmal war ich dort, störte aber nur, kam dort nicht an... Die Kinder waren
ganz eingespannt in den Jahreszeiten- und Arbeits-Rhythmus des Hofes mit Feldern und Tieren. So war sie auch
nie bei mir zu Haus, zum Spielen, ich strolchte nachmittags mit den Jungs ein paar Grundstücke
weiter herum.

Doch irgendwann während der
Studentenzeit suchte ich auch meine erste Schulfreundin wieder, probierte mit
einem Brief die alte Adresse aus. Und bekam Antwort. Wir schrieben uns ab und
an. Nun telefonieren wir manchmal. Alle paar Jahre sehen wir uns, bei ihr oder bei mir, erzählen
von den alten Kinderzeiten, schauen uns gegenseitig in die Gärten, in die
Fotoalben, essen unsere frisch gebackenen Kuchen, sprechen über die Familien,
die verstorbenen Eltern, die Männer, unsere Geschwister, über die inzwischen großen Kinder und nun auch schon
die kleinen Enkelkinder.
Wir haben uns verändert, äußerlich, sind Jahrzehnte älter
geworden, innerlich, haben verschiedene Lebensgeschichten gesammelt, die eine im Norden, die andere im Süden von Berlin. Doch in uns tief drinnen ist die
Vertrautheit geblieben, unser schelmisches Lachen, das Blitzen in unseren Augen, wenn wir
uns erinnern, an eine Zeit vor über 50 Jahren, in der wir drei Jahre lang jeden Schultag
zusammen und unzertrennlich waren. Zwei schmale kleine dunkelhaarige Mädchen, eins mit wehenden
Zöpfen und eins mit Pferdeschwanz.
Als ich die Geschichte schrieb, war sie da, meine Mitte. Éva sammelt sie immer mittwochs ein. Auch Freundschaft ist mir eine Sonntagsfreude. Bei Maria gibt es noch andere. Sonntagsfreude wünsche ich auch euch.
wunderschön, die geschichte, die alle jahreszeiten im kreis überdauernde freundschaft. so feine bilder, auch in worten.
AntwortenLöschenAch liebe Ghislana, so schön geschrieben...und es kommt mir sehr bekannt vor...Meine Freundin hieß Stella...wir waren seelenverwandt...Durch den Tod meines Vaters und den darauf folgenden Umzug haben wir uns leider aus den Augen verloren...doch ich denke hin und wieder an sie...LG Lotta.
AntwortenLöschenEine schöne Geschichte über Freundschaft aus dem wahren Leben. Ich sitze hier und betrachte die schönen und stimmungsvollen Fotos mit Gänsehat auf meinen Armen.
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Cora
Danke für diese schöne Geschichte, die sicher viele von uns so oher ähnlich erlebt haben. ERinnerungen kommen hoch ... ganz anders und doch ist es da - dieses freudig-erregte, atemlose der Treffen...
AntwortenLöschenliebe Grüße von Ellen
Liebe Ghislana,
AntwortenLöscheneine wunderschöne Gesichte, die mich auch an meine Schulzeit erinnert. Leider haben bei mir diese Freundschaften die Jahre nicht überdauert, was aber sicher auch an mir lag, denn ich bin ein absoluter Einzelgänger.
Liebe Grüße
Jutta
Liebe Ghislana ! Danke fürs Mitnehmen in deine Kindheit .
AntwortenLöschenEs ist ein wahrer Schatz wenn Freundschaften so lange überdauern !
Ich wünsche dir einen feinen Sonntag
Herzlichst Ursula
Soooo schön, eine wahre Freundschaft!!! Selten halten Freundschaften 50 Jahre, auch wenn man zeitweise getrennte Wege gegangen ist, ist es wunderbar wenn man wieder die alte Vertrautheit zueinander spürt.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Papatya
Eine wehmütige Geschichte, kongenial bebildert, die nachklingt...
AntwortenLöschenErinnerungen an ein schwarz- und ein blondbezopftes Mädchen im Dorf meiner Kindheit werden wach. Aber noch mag ich nicht eintauchen.
Allerliebste Grüße
Astrid
Was für eine herzerwärmende Geschichte, die auch bei mir gleich Erinnerungen weckte!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Andrea
Eine berührende Geschichte und die Bilder eine Wonne.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Margarete
was für eine schöne geschichte, liebe ghislana. du weckst auch bei mir erinnerungen an zeiten von ranzen und brottasche.....gerade habe ich diesen ganz bestimmten "duft" meiner brotrasche in der nase.....
AntwortenLöschenlg mickey
...BROTTASCHE sollte das heißen....
AntwortenLöschenEine sehr schöne und berührend geschriebene Erinnerungsgeschichte - es bewegt mich, dass du nach so langer Zeit wieder an die alte Freundschaft angeknüpft hast. Ich hätte auch so ein paar "lose Fäden"...
AntwortenLöschenHerzliche Sonntagsgrüße von
Brigitte
Wie wunderschön geschrieben... : )
AntwortenLöschen....schön hast du diese Geschichte aufgeschrieben, liebe Ghislana,
AntwortenLöschenso wertvoll sind diese besonderen Freundschaften, die ein Verstehen haben auch wenn lange Zeiten zwischen den Begegnungen liegen...
wünsch dir noch einen frohen Sonntag,
lieber Gruß von Birgitt
...ich habe Gänsehaut und höre auch das Klappern der Brotdose. Meine Freundin aus dieser Zeit heißt Elke und obwohl wir sehr weit auseinander wohnen heute, wissen wir immer noch unsere Geburtstage und denken aneinander... Die Fotos sind wunderschön, liebe Ghislana!
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Sabine
Was für eine zauberhafter Post!
AntwortenLöschenWunderschön...
Danke fürs teilhaben lassen. ^^
GLG, MamaMia
ja, "alte" freunde sind das beste, was es gibt. felsen in der brandung - auch wenn man sich selten sieht! einen guten start in die woche!
AntwortenLöschenDanke für Deine so einfühlsam und bunten Zeilen über Deine Freundschaft.
AntwortenLöschenIch war mitten drin, hab das Geräusch des rennenden Schulranzens genau hören können, aber auch den Verlust mit empfunden - habe eine ähnliche Freundschaftsgeschichte.
Schön das Ihr Euch noch habt und seht und immer noch so albern lachen könnt!
Eine schöne Sonntagsgeschichte am Montag.
LG Susan
Deine Geschichte berührt mein Herz, liebe Ghislana. - Wer wären wir ohne unsere (selten genug auch langjährige) Freundinnen?
AntwortenLöschenIch wünsche Dir eine gute Woche, liebe Grüße von
Gabi
Danke für die Geschichte und die wunderschönen Bilder die du mit uns teilst.
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Brigitte
Liebe Ghislana,
AntwortenLöschenso warm erzählt, so herrlich bebildert.
Gänsehaut.
Judika
Das ist so, so schön... sei gedrückt. hier geht es bergauf...
AntwortenLöscheneine ganz wunderbare geschichte mit bildern, die mich verzaubert haben. danke, liebe ghislana!
AntwortenLöschenWelch berührende Geschichte...
AntwortenLöschenalles Liebe. maria
Liebe Ghislana,
AntwortenLöschenich kämpfe mich rückwärts durch die verpassten Posts und bin ganz gerührt von dieser Geschichte. Leider hab ich schon ewig keinen Kontakt mehr zu meiner ersten Schulfreundin, aber meine Studienfreundin werd ich wohl in nächster Zeit endlich wieder suchen ... manchmal brauche ich solch kleinen Anstubser wie deine Geschichte ... dankeschön.
Nen lieben Gruß von Antje
Was für eine wunderschöne Geschichte. Und so ehrlich, denn als Kind trauert man wirklich meist nicht lange, sondern lebt in der Gegenwart und erlebt Neues. LG Rebekka
AntwortenLöschenKeine aufregende Geschichte, liebe Ghislana, dennoch sooo schön.
AntwortenLöschenLiebe Grüße von Edith